Vor Kurzem hatte ich ein Gespräch mit einer Unternehmerin aus meiner Branche. Auch sie lässt aktuell in Deutschland produzieren, wird aber davon abrücken, weil ihr von ihren Zwischenhändlern immer wieder gesagt wird, dass der Einkaufspreis ihrer Produkte zu hoch ist. Ihre Aussage war sinngemäß, dass die Herstellungspreise hier viel zu hoch wären und sich nicht mit dem Arbeitsaufwand decken würden. Ein Kleidungsstück mit 35 Minuten Arbeitsaufwand könne von der Schneiderei nicht mit 30€ berechnet werden, das würde ja keinen Sinn machen.
Und genau da liegt für mich der Hase im Pfeffer, beißt sich die Katze in den Schwanz,…
Ich habe das Gefühl, dass ganz oft das Bewusstsein dafür fehlt wie gut die Arbeitsbedingungen hier sind und was das im Umkehrschluss bedeutet.
Der überwiegende Teil der Näherinnen in Bangladesh, China und anderen Billiglohnländern sitzt in einer riesigen Fabrik bei Bedingungen die jedem deutschen Brand- bzw. Arbeitsschützer die Sinne schwinden lassen würden, mit Arbeitszeiten bei denen jeder Betriebsrat mit Klagen nur so um sich schmeissen würde. Ob das Geld reicht damit sie sich ein Dach über dem Kopf, Essen und Kleidung leisten können ist kein Aspekt der in die Preisverhandlungen der Großkonzerne mit einfließt. Über Schulbesuch für die Kinder und Dinge wie Versicherungen (oder so überbewerteten Luxus wie freie Tage oder gar Urlaub) braucht man da erstmal noch garnicht nachzudenken.
In Deutschland sitzt eine Näherin in einem Gebäude das zumindest einigermaßen den Standards für Brand- und Arbeitsschutz gerecht wird. Sie sitzt an einer zeitgemäßen Maschine die repariert oder ersetzt wird wenn sie kaputt geht. Über die Arbeitszeiten, Feier- und Urlaubstage wacht mit Argusaugen das Gesetz und im besten Fall auch Institutionen wie ein Betriebsrat. Wird die Näherin krank, bekommt sie Lohnfortzahlung, danach Unterstützung von der Krankenkasse und danach vom Arbeitsamt, wenn es richtig schlimm kommt. Über ihr Gehalt wacht zumindest bis zur Mindestlohn-Grenze der Staat.
All das muss bezahlt werden und das ist auch gut und richtig so. Das Gebäude in dem sie sitzt, ihre Sozialbeiträge, freie Wochenenden, der bezahlte Urlaub und viele weitere Kostenpunkte. Abgesehen davon sollte es dem Betrieb bei dem sie angestellt ist gestattet sein Gewinn zu machen, sonst sind zB keine weiteren Investitionen möglich.
Ein Kleidungsstück für dessen Produktion 30 Minuten aufgewendet werden kann deshalb nicht für 6,25€ ausgeliefert werden nur weil die Näherin fiktiv angenommen 12,50€ Stundenlohn bekommt.
Diese Rechnung geht an keinem Ende auf.
Die Näherin die zB in Bangladesh 12-14 Stunden am Tag 7 Tage/Woche schuftet und seit Jahren auf den Mindestlohn wartet – der gesetzlich schon lange festgeschrieben ist, aber leider von den westlichen Großkonzernen nicht mitgetragen wird – muss es für weit weniger als ein Zehntel der oben errechneten unrealistischen 6,25€ machen, weil sie alternativlos ist.
Nachsatz:
Natürlich gibt es auch in den Billiglohnländern inzwischen den ein oder anderen vorbildlichen Betrieb und mir ist auch bewusst dass es in Deutschland sicher das ein oder andere schwarze Schaf gibt das sich nicht an Regeln hält, aber im Großen und Ganzen ist die Situation nach wie vor unverändert.